Ein Linksaußen zwischen den Pfosten

Von Berkan Cakir

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Gregor Mohr führt seine Mannschaft als Kapitän aus dem Kasten GB-Foto: Holom

Gregor Mohr führt seine Mannschaft als Kapitän aus dem Kasten GB-Foto: Holom

Samstags Außenspieler, sonntags Keeper: Als Feldspieler bei den Handballern der SG Nebringen/Reusten II aufzulaufen reichte Gregor Mohr nicht. Seit vergangener Saison steht er außerdem beim SV Affstätt im Kasten. Verzichten will er auf keine der beiden Sportarten. Irgendwie bekommt Gregor Mohr die zwei Sportarten doch immer unter einen Hut, auch wenn er dafür manchmal spontan improvisieren muss. Wie das eine Mal, als ausnahmsweise ein Handballspiel nicht wie üblich am Samstag stattfand, sondern am Sonntag, an dem er eigentlich auf dem Fußballplatz steht. Mohr fing beim SV Affstätt als Torwart zwischen den Pfosten an. In der Halbzeit wechselte er dann das Trikot, fuhr zu den Handballkollegen der SG Nebringen/Reusten und lief als Linksaußen auf.

Nur eine Ausnahme war das, wie er versichert. Seit zwei Jahren steht Mohr beim SV Affstätt für gewöhnlich immer für 90 Minuten im Tor. Seit der B-Jugend ist er zudem als Handballer in der zweiten Mannschaft der Spielgemeinschaft aktiv, wo er als Linksaußen Tore erzielt, statt sie zu verhindern. Dass er beide Sportarten mit jeweils zwei Trainingseinheiten unter der Woche und einem Spiel am Wochenende gut miteinander verbinden kann, hängt damit zusammen, dass sich alles puzzleartig fügt: Dienstag, Donnerstag und Samstag steht Handball an, Mittwoch, Freitag und Sonntag Fußball.

Auf Dauer kann so ein Programm aber auch auslaugend sein. Der Student der Wirtschaftswissenschaften an der Uni Hohenheim hat gerade nur Online-Kurse und kann es etwas entspannter angehen als noch in der Hinrunde der vergangenen Saison. Da fand die Uni noch mit Seminaren und Vorlesungen vor Ort statt. Mohr ging morgens aus dem Haus und kam erst nach dem Training zu später Stunde wieder nach Hause. Immer schafft er es deshalb nicht, Sport zu treiben. „Wenn ich merke, dass der Körper mal nicht mit macht, mache ich eine Trainingseinheit auch mal blau“, sagt Mohr.

Obwohl er um den Aufwand wusste, zögerte der Torhüter nicht lange mit seiner Zusage, als sein Mannschaftskollege Tom Egeler im vorletzten Sommer bei ihm anfragte, ob er nicht beim SV Affstätt wieder anfangen wolle. Mohr kannte Egeler noch aus seiner Jugendzeit beim VfL Herrenberg, wo er in der B-Jugend die Torwarthandschuhe vorübergehend an den Nagel gehängt hatte. „Ich bin seit der F-Jugend immer hin- und hergeschwankt“, sagt Mohr. Mal Fußball, dann wieder nur Handball.

Als der 20-Jährige wieder beim SV Affstätt mit dem Fußball anfing, lag sein letzter Einsatz fast vier Jahre zurück. Mohr absolvierte nur eine Trainingseinheit und stand am Sonntag darauf gleich im Kasten. Erfolgreich, wie sein Trainer findet. „Es ist erstaunlich, wie schnell er sich an das Spiel im Tor wieder gewöhnt hat. Das hätte ich so nicht erwartet“, staunt Marco Kühl. Vielleicht liegt das an den Torhüter-Genen. Sein zwei Jahre jüngerer Bruder Georg ist Torhüter bei den Handballern der H2Ku Herrenberg. Auch sein Vater hütete einst als Eishockey-Spieler das Tor. Kühl weiß jedenfalls, was er an Mohr hat. Nicht nur, dass er einer seiner fittesten Spieler sei – was positionsbedingt eher ungewöhnlich für einen Torwart ist. „Als Handballer ist er auch um einiges härter im Nehmen, als man das von einem Fußballer vielleicht gewöhnt ist“, sagt der Trainer. Kühl bezeichnet seinen Keeper daher trotz seines jungen Alters als Vorbild, und hat ihn zu Beginn dieser Saison zum Kapitän bestimmt.

Geht es nach dem neuen Spielführer könnte die Runde jedoch besser laufen. „Wir hatten eine gute Vorbereitung, haben das bisher aber nicht auf den Platz bringen können“, sagt Mohr. Der derzeit siebte Platz sei jedenfalls nicht das Ziel. Der Keeper schielt nach oben und sieht in der jungen Affstätter Mannschaft genug Potenzial, um sich früher oder später an die ersten drei Plätze heranzuarbeiten. Wichtig ist Mohr dafür, hinten gut zu stehen und zu null zu spielen. „Das hilft, die Moral oben zu halten“, sagt er. Bisher ist das seinem Team zwei Mal gelungen, und überhaupt zeigt sich die Defensive der Affstätter, zumindest statistisch betrachtet, weitaus stabiler als vergangenes Jahr. Nach sieben Spielen haben die Kicker vom Rötelesberg erst elf Gegentore kassiert. Im vergangenen Jahr gab es mit 19 Gegentoren fast doppelt so viel.

Laut Marco Kühl hat sein Torwart großen Anteil daran. „Er ist gleichzeitig unser letzter Abwehrspieler, weil er so gut mitspielt“, sagt er. Für den Trainer ist Mohr deshalb nur schwer verzichtbar. Ein Dilemma wäre da, wenn der junge Keeper sich zwischen zwei Sportarten entscheiden müsste. „Eigentlich macht mir beides unfassbar Spaß. Ich wüsste gar nicht, für was ich mich entscheiden sollte“, sagt Mohr. Wenn sich an den Trainings- und Spieltagszeiten nichts ändert, spricht für den gebürtigen Affstätter aber auch nichts dagegen, sowohl Handball als auch Fußball zu machen. Leitungstechnisch sei er noch lange nicht am Limit. „Drei oder vier Jahre kann ich beides noch locker machen“, sagt Mohr. BERKAN CAKIR

Der SV Affstätt empfängt am Sonntag (15 Uhr) den TSV Tailfingen. Alle weiteren Spiele der Kreisliga B4 gibt es unter der Rubrik „Sporttermine am Wochenende“.

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Erstellt:
23. Oktober 2020

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