Auch bedrohte, alte Rassen werden gezüchtet

Sechs Mal vergeben die Preisrichter die Höchstnote. 97 Punkte, sprich „vorzüglich“. Viel zu mäkeln gibt es bei der offenen Stammschau der Gültsteiner Kleintierzüchter nicht. Folglich freute sich deren Vorsitzender Lothar Michel über die sehr hohe Qualität der von 29 Züchtern präsentierten 56 Stämmen.

Von Rüdiger Schwarz

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Wilhelm Brenner mit seinemPommernganter GB-Foto: Schmidt

Wilhelm Brenner mit seinem Pommernganter GB-Foto: Schmidt

Es ist eine Wissenschaft für sich. Ein Laie wüsste jetzt nicht, worauf er achten müsste und was den kleinen, aber feinen Unterschied ausmacht. Erst recht nicht, wenn er es wie bei der Gültsteiner Geflügelschau mit einer hochwertigen Ausstellung zu tun hat. Es geht um Form und Farbe, um spezifische Merkmale einer Rasse, letztendlich um den Gesamteindruck eines Stammes. Ein Stamm dient als Keimzelle für die Weiterzucht. Mit der versucht ein jeder Züchter, den vom Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter ausgegebenen Idealen so nah wie möglich zu kommen. Bei Tauben, Gänsen nebst anderem Großgeflügel, geht bei so einer Stammschau immer ein Paar ins Rennen. Zum Beispiel ein Täuber und eine Taube, ein Ganter und eine Gans. Bei anderem Geflügel braucht es schon drei Tiere. Etwa einen Erpel und zwei Enten, ein Hahn und zwei Hennen.

Die Kleintierzucht ist auf
dem absteigenden Ast

Die Kriterien sind streng. Zeichnet sich etwa eine Geflügelrasse durch ein grün glänzendes Gefieder aus, darf da kein Violett durchschimmern. „Das wäre ein Fehler“, erklärt Lothar Michel. Die offene Stammschau stellen die Gültsteiner Kleintierzüchter nun schon seit rund 14 Jahren auf die Beine, was beileibe keine Selbstverständlichkeit mehr ist. „Andere Kreisvereine können keine Ausstellung mehr machen“, erzählt der Vorsitzende. Die Kleintierzucht sei leider auf dem absteigenden Ast. Umso froher ist Lothar Michel, dass man nun schon seit knapp 40 Jahren über eine eigene Zuchtanlage mit derzeit elf Parzellen verfügt. Das Refugium liegt weit außerhalb von Gültstein in der Nähe des Ackermann-Kreisels. In dieser Abgeschiedenheit stört es niemanden, wenn Hähne krähen, Gänse lauthals schnattern und Tauben kräftig gurren. Was eigentlich zu einem Leben auf dem Land dazugehört, ist innerorts so gut wie verschwunden. „Im Ort lebt nur noch ein Hahn“, bedauert Michel.

Zur offenen Stammschau gehört auch ein Züchtertreff mit Vorträgen. In diesem Jahr ging es um Fütterung und Pflege in der Kleintierzucht, aber auch um eine eher traurige Thematik: die Rote Liste stark gefährdeter Geflügelrassen. Zwei Gültsteiner Kleintierzüchter haben sich solcher bedrohten, alten Rassen angenommen. Heike Mast züchtet Lippegänse, Werner Thoni kümmert sich um Diepholzer Gänse, eine der wenigen noch existierenden Landgänserassen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kleintierzüchtern vor Ort hat Wilhelm Brenner noch die Möglichkeit seine Pommerngänse auf die Wiese zu lassen, wo die Tiere in der nahe gelegenen Ammer baden können. Das schöne, weiße Gefieder dieser Pommerngänse kommt nicht von ungefähr. Es geht zur Not aber auch anders, so hat Lothar Michel extra eine Badewanne tiefer in den Boden gelegt, damit seine Enten im Wasser planschen können. Beim kleinen Rundgang durch die Ausstellung springt einem sogleich das bei Licht und Sonne wie ein Smaragd glänzende Gefieder einer Entenrasse ins Auge. Der Name sagt schon alles, es sind Smaragdenten. Bei den Warzenenten ist selbstredend auch die Warze auf Nase und Schnabel ein spezielles Kriterium, das in die Beurteilung der Preisrichter einfließt.

Es geht vorbei an Cröllwitzer Puten, Branevelder Haushühnern, an Italienern, die es in verschiedenen Farbschlägen gibt, an Zwerg-Seidenhühnern, deren Besonderheit das dunkle Fleisch ist. Dass viele Züchter sich lieber an die kleinere Variante einer Geflügelrasse halten, hat einen ganz einfachen Grund: Man hat mehr Platz, kann mehr Tiere halten. Derweil hören sich die Geräusche so einer Altenburger Trommeltaube tatsächlich wie ein Getrommel an. Die Perückentaube beeindruckt dagegen mit ihrer imposant aufgestellten Mähne aus Nacken- und Halsfedern. Viele Züchter, die mit Hühnern angefangen haben, legen sich mit der Zeit oft noch Tauben zu. „Das funktioniert sehr gut“, weiß Lothar Michel aus eigener Erfahrung.

Die Spartensieger stehen schon seit Freitagabend fest. Der beste Stamm Hühner sind die Barnevelder von Luca Glaser aus Nufringen. Bei den Zwerghühnern siegen die Zwerg-Australorps von Heinz Höfel, ebenfalls aus Nufringen. Der beste Stamm beim Groß- und Wassergeflügel besteht aus den Streicherenten des Ehnigers Bernd Schmid. Das beste Paar Tauben hat der Böblinger Manfred Mittmann mit seinen Kölner Tümmlern zu bieten.

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Erstellt:
31. Dezember 2019

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