Aus Klärschlamm könnte Wärme entstehen

Wohin mit dem Klärschlamm? DieseFrage sollten sich die Kommunen alsBetreiber von Kläranlagen tunlichstbald beantworten. Denn ab 2029 darfKlärschlamm nicht mehr in Kohlekraftund in Gipswerken verfeuert werden.

Von Hansjörg Jung

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Auf dem Parkplatz vor dem Restmüllheizkraftwerk könnte die neue Klärschlammverbrennungsanlage gebaut werden,sagen Geschäftsführer Dr. Frank Schumacher (links) und Landrat Roland Bernhard GB-Foto: Jung

Auf dem Parkplatz vor dem Restmüllheizkraftwerk könnte die neue Klärschlammverbrennungsanlage gebaut werden,
sagen Geschäftsführer Dr. Frank Schumacher (links) und Landrat Roland Bernhard GB-Foto: Jung

Mit einer speziellen Klärschlammverbrennung neben der Müllverbrennungsanlage im Böblinger Wald will Landrat Roland Bernhard den Kommunen im Zweckverbandsgebiet ein Angebot machen, das Problem zu lösen. Interesse, Platz und eine Idee – alles vorhanden. Geht es nach Dr. Frank Schumacher, Geschäftsführer des Zweckverbands Restmüllheizkraftwerk Böblingen, und nach Roland Bernhard wird auf dem Gelände der Müllverbrennungsanlage aus Klärschlamm Wärme für das Fernwärmenetz und Asche zur Rückgewinnung des Phosphors, der in den Überresten der menschlichen Verdauung steckt. Denn Phosphor-Recycling wird ab 2029 Pflicht. Dies ist dann das Ende der Entsorgung des Schlamms via Kohle-Verstromung und Gips-Produktion.

Positive Begleiterscheinungen, so Bernhard, sind Synergieeffekte. Einerseits könnte die neue Anlage im Bestand, wo es niemand störe, gebaut werden. Auch könnten Personalkosten gespart werden, weil ein Teil der Arbeit auch von Mitarbeitern des Restmüllheizkraftwerks übernommen werden könnte. Dies führe nicht nur zu einer günstigen Klärschlammentsorgung, am Ende könnten auch die Müllgebühren sinken. Nicht zuletzt auch durch die Wärmeeinspeisung und die Vermarktung der Klärschlammasche. Dazu hat Dr. Frank Schumacher eine Anlage mit rund 100000 Tonnen Jahresleistung als wirtschaftlichste Größe ins Auge gefasst. Dies reichte aus, um das derzeitige Zweckverbandsgebiet zwischen Rottweil und Stuttgart zu bedienen. Die Begehrlichkeiten sind jedoch groß, weil die Böblinger Anlage wohl die erste wäre, die in Betrieb genommen werden könnte. Auch das Interesse der Kommunen aus dem Verbandsgebiet ist groß, vor allem jenseits der Kreisgrenzen. Doch Böblingen und Sindelfingen, die gemeinsam die größte Kläranlage im Landkreis betreiben, haben sich noch nicht erklärt. Mehr noch, Sindelfingens OB Dr. Bernd Vöhringer hatte zuletzt das Thema Klärschlammverbrennung mit der Standortsuche nach einer Erddeponie verquickt. „Ich hoffe, dass sich die beiden Städte arrangieren“, sagt der Landrat. Denn gegen den Willen einer der beiden Anliegerstädte könne er sich eine solche Anlage nicht vorstellen. „Wenn es scheitert, dann scheitert es. Aber es war dann ein guter Versuch.“

Denn am Ende müssen die Städte und Gemeinden schon selber springen, um das „Angebot“ umzusetzen. Das heißt: Sie müssen einen eigenen Zweckverband gründen. Dann, so Schumacher, könne auch detaillierter festgelegt werden, was am Ende am Restmüllheizkraftwerk gebaut wird. Dies entscheidet auch über den Investitionsrahmen, der sich zwischen 50 und 70 Millionen Euro bewege. Ihm schwebt eine relativ kleine Halle vor, in der der Schlamm angeliefert, getrocknet und verbannt und das Rauchgas gewaschen wird. Vorbilder zu einer solchen Anlage gibt es beispielsweise in Rostock oder auch in Zürich, „in der Nähe eines Wohngebiets“. Dies zeige, dass nicht mit einer Geruchsbelästigung zu rechnen sei. Technisch sorgt dafür ein kleiner Unterdruck, der das Feuer in der Prozesskette erzeuge, sagt Dr. Schumacher.

Landkreis würde die Panzerstraße grundsätzlich ertüchtigen

Doch es ist nicht nur die Geruchsbelästigung, die die Sindelfinger oder Böblinger gegebenenfalls am Standort zweifeln lassen. Es ist der Lieferverkehr auf der ohnehin schon gebeutelten Panzerstraße. Auch wenn Landrat Bernhard 15 Laster am Tag bei einer Belastung von rund 25000 Fahrzeugen täglich für problemlos hält, verspricht er dennoch, dass der Landkreis die Straße grundsätzlich ertüchtigen wolle, um Staus zu vermeiden. Außerdem, so Dr. Schumacher, liege es am Zweckverband, wann die Lkw fahren. „Wir würden sie sicher nicht zu den Hauptverkehrszeiten fahren lassen.“ Doch erst müsste eben ein Zweckverband gegründet werden. Landrat Bernhard hofft, dass sich die Kommunen in rund zwei Monaten darüber einig werden. Denn wenn die Gründung zur Hängepartie gerate, bestünde die Gefahr, dass die eine oder andere Kommune abspringe und gegebenenfalls nach Alternativen suchten. Denn die, so Frank Schumacher, wird es geben. Doch ob die private Konkurrenz so verlässlich und preisgünstig anbieten könne wie die öffentlich-rechtliche Variante im Wald, sei fraglich.

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Erstellt:
21. Februar 2020

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