Diese Saison wird kein Zuckerschlecken

Von Andreas Gauss

Fußball: Die „neue“ Bezirksliga Stuttgart wird im Spieljahr 2024/25 wohl über 20 Vereine umfassen.Ein „Gäubote“-Planspiel mit den aktuellen Tabellen käme sogar auf 23 Clubs.

Diese Saison wird kein Zuckerschlecken

Wenn nach dieser Runde der Bezirk Böblingen/Calw getrennt werden würde: Im „Planspiel“ des „Gäubote“ würde dann die „neue“ Bezirksliga Stuttgart nach dem momentanenTabellenstand zusammen mit einer Vielzahl von Absteigern aus der Landesliga auf nicht weniger als 23 Vereine kommen. Blau eingefärbt sind die Böblinger Kreisvereine. GB-Grafik

Die Strukturreform des Württembergischen Fußballverbandes (WFV) bringt gravierende Änderungen für die Böblinger Kreisvereine mit sich. Denn ab dem Spieljahr 2024/25 bilden die im Moment knapp über 40 Vereine aus dem hiesigen Landkreis zusammen mit den 71 Clubs aus dem Bezirk Stuttgart einen gemeinsamen Bezirk 1.

Ein gebietsübergreifender Spielbetrieb, das haben die Verbandsverantwortlichen immer wieder betont, käme erst ab der Bezirksliga zum Tragen. Denn die Vereine aus dem Böblinger Bereich hatten sich – auch im Vorfeld des außerordentlichen WFV-Verbandstages im Mai 2022 – immer wieder gegen den Zusammenschluss mit den Stuttgarter Clubs gewehrt. Vielmehr wurde ein Zusammengehen des kleinen Bezirks Nördlicher Schwarzwald mit dem Bezirk Böblingen/Calw eher favorisiert, aber zu spät ins Spiel gebracht (wir berichteten).

Zwei ausdauernde „Streiter“gingen in den Ruhestand

Denn die Planer der Gebietsreform hatten auch den Bezirk Stuttgart im Blick, dessen Mannschaftszahlen schon seit über zehn Jahren kontinuierlich zurückgegangen waren und der ohne Zuwachs bei der nunmehr erfolgten Reduzierung von 16 auf 12 Bezirke auf einmal eines der kleinsten Gebiete gewesen wäre. Wenn, ja wenn er nicht Zuwachs aus einem der umliegenden Bezirke bekommen würde. In diesem Fall war es der Bezirk Böblingen/Calw, dessen langjähriger Bezirksvorsitzender Richard Armbruster (Bondorf) und sein kongenialer Spielleiter Helmut Dolderer (Wildberg) praktischerweise in den Funktionärsruhestand gingen und sich so nicht für ihren harmonisch dastehenden Bezirk „verkämpfen“ konnten. Die Vereine im Bezirk hatten zwar die WFV-Planungen aufmerksam verfolgt, aber sahen sich aufgrund der etwas komplizierten Materie als kleines Licht auf verlorenem Posten.

Allerdings haben 13 Vereine aufbegehrt und die zuvor von Harald Müller (Verbandsspielausschuss-Vorsitzender des WFV) in Aussicht gestellte Möglichkeit, eventuell einen Bezirkswechsel zu vollziehen, mit einem bis Ende des vergangenen Jahre gestellten Antrag wahrgenommen. Diese Vorgehensweise hat Müller den Vereinen aus dem Bereich Böblingen im Frühsommer vergangenen Jahres auf einem Infotag in Rohrdorf explizit eingeräumt – wohlgemerkt, noch ehe im Mai der außerordentliche Verbandstag die Trennung der Böblinger und Calwer Vereine verfügte. Zudem wurde den Vereinsvertretern über Müller und auch Roland Ungericht (Bezirksvorsitzender Böblingen/Calw) suggeriert, dass man mit den wechselwilligen Clubs noch in den Dialog treten würde.

Der WFV räumt ein, dass ein Wechsel Vorteile haben könnte

Allerdings musste den Verbandsoberen in Stuttgart, die wohl von vier, maximal fünf Wechsel-Anträgen ausgegangen waren, Anfang Januar regelrecht die Kinnlade heruntergeklappt sein, als es insgesamt 13 Antragsteller wurden. Diese Clubs verstanden sich aber nicht als stiller Protest gegen die Entscheidung des Verbandstages, sondern sie stellten ziemlich schlüssig dar, dass ihnen der Spielbetrieb im neu zu gründenden Bezirk Nordschwarzwald (Raum Freudenstadt und Calw) eher zusagen würde als der im städtisch geprägten Stuttgarter Bereich. Vor allem der drohende Verlust an Aktivenspielern, Jugendmannschaften und Betreuern trieb diese Vereine um. Am vergangenen Samstag wurden diese Anträge allesamt vom 17-köpfigen WFV-Verbandsvorstand abgeschmettert. Via Pressemitteilung versuchte der Verband seine Lesart des Verfahrens an die Öffentlichkeit zu bringen, etliche Tageszeitungen druckten prompt die Verlautbarung im Wortlaut ab. Samt dem Satz, der, an die Adresse der 13 Clubs gerichtet, tief blicken lässt: „Es genügt nicht, dass ein Bezirkswechsel als vorteilhaft betrachtet wird.“ Im Umkehrschluss räumt damit der Verband um Hauptgeschäftsführer Frank Thumm (GB-Foto: gb), der überwiegend die Korrespondenz mit den „rebellierenden Vereinen“ und den Bezirkschefs übernahm, ein, dass hier offensichtlich einige Clubs den Weg des geringsten Widerstands gehen wollten. Dass eben der Wechsel in den Spielbetrieb im Nordschwarzwald tatsächlich vorteilhafter sei als der im Bezirk Stuttgart.

Dass der Weg nach Stuttgart in spieltechnischer Hinsicht zumindest für die ambitionierten Bezirksliga-Vereine im Kreis Böblingen kein einfacher wird, verdeutlicht ein Planspiel, das der „Gäubote“ nach den aktuellen Tabellenständen erstellt hat (siehe oben stehende Grafik). Zwar werden die neuen Klassenzugehörigkeiten erst nach der nächsten Saison 2023/24 spruchreif, aber schon jetzt zeichnet sich nach dem aktuellen Tabellenbild mit Stand vom heutigen Freitag, 17. März, ab, dass die erste Saison in der „neuen“ Bezirksliga Stuttgart kein Zuckerschlecken werden dürfte.

Denn bei ursprünglich zwölf Teams aus Stuttgart und schätzungsweise fünf oder sechs Teams aus der Bezirksliga Böblingen wird es nicht bleiben. Das Szenario des aktuellen Planspiels beinhaltet auch die Entwicklung in den übergeordneten Landesliga-Staffeln, und hier sähe es – wohlgemerkt, wenn schon nach dieser Runde 2022/23 der „Cut“ gemacht werden müsste – nicht gut aus, wenn es um die möglichen Absteiger geht. Momentan stehen in der Landesliga Staffel 2 mit dem TSV Weilimdorf, dem TSV Bernhausen und der TSVgg. Plattenhardt drei Stuttgarter Vereine auf einem Abstiegsplatz, würden also in die „neue“ Bezirksliga Stuttgart zurückkehren. Auf Böblinger Seite, also in der Landesliga Staffel 3, wären es mit FC Gärtringen und SV Böblingen im Augenblick zwei Absteiger. Aus den beiden Stuttgarter A-Ligen gibt es jeweils einen Aufsteiger und aus der Böblinger A2 hat aktuell der VfL Oberjettingen die besten Karten, um diesem noch „fiktiven“ Bezirksoberhaus anzugehören. Die Relegationsplätze sind in dieser Übersicht zu vernachlässigen, weil ja die Plätze lediglich nur ausgetauscht werden und sich die Zahl dadurch nicht verändert.

Würde also nach dieser Saison abgerechnet und in der neuen Liga gespielt werden, dann umfasst diese „neue“ Bezirksliga Stuttgart 23 Vereine. Damit käme der Fall zustande, wie ihn schon ein sogenannter Halbzeitstaffeltag im Bezirk Nordschwarzwald in Hochdorf Ende Februar aufskizziert hatte. Damals hatte der Spieltechniker des Bezirks Nordschwarzwald, Martin Stede, vorgeschlagen, bei einer Staffel mit über 19 Vereinen eine geteilte Runde zu spielen. Also zunächst in zwei kleineren Staffeln die Teilnehmer an einer Meister- und an einer Abstiegsrunde zu ermitteln.

Eine geteilte Runde ist für2024/25 höchst wahrscheinlich

Angesichts des Planspiels, in dem 15 „Stuttgarter Vereine“ auf nur acht „Böblinger Vereine“ treffen, stellt sich die Frage, wie diese geteilte Runde eingeteilt wird und ob die Böblinger und Stuttgarter Clubs nahezu in gleicher Anzahl auf beide Staffeln verteilt würden, also in diesem Fall eine Elfer und eine Zwölfer-Staffel. Denn immer wieder wurde von den Böblinger Vereinen moniert, dass sie im ersten Jahr des Zusammenschlusses mit nur womöglich sechs Bezirksliga-Vereinen einer „Stuttgarter Übermacht“ von zwölf Vereinen gegenübertreten würden.

Wenn jetzt in einer geteilten Runde alle Böblinger Vereine zum Beispiel in einer Staffel zusammengefasst werden würden, könnten bis zu fünf oder gar sechs Vereine von den acht Böblinger Vertretern in die Abstiegsrunde geraten. Teilt man dagegen jeweils vier Böblinger Vereine einer Staffel zu, bevor es in die Abstiegs- und Meisterwettbewerbe geht, wären die Chancen größer, dass die Böblinger Vereine im aufnehmenden Stuttgarter Bezirk nicht gleich auf Anhieb „untergehen“. Bleibt abzuwarten, was die Spieltechniker im Bezirk Stuttgart ihrem „Zuwachs“ präsentieren werden. Denn von den 23 Vereinen müssten ja mindestens sechs oder sieben Clubs absteigen, damit die „neue Bezirksliga Stuttgart“ im Spieljahr 2025/26 wieder auf eine Staffelgröße von nur noch 16 Mannschaften kommt. Egal, wie man es dreht und wendet: Auch nach der Runde 2023/24 wird es zu einigen Absteigern aus der Landesliga kommen und die Zahl von 19 oder mehr Vereinen für die „neue“ Bezirksliga Stuttgart nicht zu vermeiden sein. Wahrlich kein Zuckerschlecken …