Ein Einsatz, der auch an die Grenzen geht

„Gäubote“-Weihnachtsaktion: Katarina Schneiderova und Gisela Resch vom ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst stehen Familien bei Tod, Trauer und Verlust unterstützend zur Seite.

Von Jutta Krause

Lesedauer: ca. 3min 59sec
In Familien, in denen Geschwister oder Eltern krank oder verstorben sind, fühlen sich viele Kinder hilflos und allein – Unterstützung finden sie beim Kinder- und Jugendhospizdienst.GB-Foto (Symbolbild): Tom Bayer /stock.adobe.com

In Familien, in denen Geschwister oder Eltern krank oder verstorben sind, fühlen sich viele Kinder hilflos und allein – Unterstützung finden sie beim Kinder- und Jugendhospizdienst.GB-Foto (Symbolbild): Tom Bayer /stock.adobe.com

Die Arbeit des Kinder- und Jugendhospizdiensts (Kiho) steht dieses Jahr im Mittelpunkt der „Gäubote“-Weihnachtsaktion und des Arbeitskreises „Miteinander – Füreinander“ unter dem Motto „Kinder.Leben. Abschied“. Eine wichtige Aufgabe, die großenteils von den rund 30 gut ausgebildeten ehrenamtlichen Mitarbeitern ausgeführt wird. Mit viel Herzblut begleiten sie ihre Schützlinge durch eine schwierige Lebensphase.

„Ich habe schon immer gern mit Kindern gearbeitet, die es besonders schwer haben. Das gibt mir Halt im Leben, es macht mich glücklich — und die Kinder auch!“, beschreibt Katarina Schneiderova, die schon seit der Gründung des Kiho vor 15 Jahren mit dabei ist, ihre Beweggründe. Der ambulante Hospizdienst bietet Begleitung für Kinder und Jugendliche und Erwachsene, die schwerst erkrankt sind oder auf den Tod warten. Auch Kinder und Jugendliche, die um ihre Eltern oder Geschwister trauern, finden hier Unterstützung. Allerdings gibt es für den Einsatz der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen keinen Kostenersatz von den Krankenkassen, weshalb der Kiho auf Spenden angewiesen ist.

Gleichwohl: Katarina Schneiderova ist ihr Engagement eine Herzensangelegenheit: „Manche dieser Kinder haben eine verkürzte Lebenserwartung. Beim Kinderhospizdienst habe ich gelernt, besser damit umzugehen. Wir setzen uns damit auseinander, darum können wir den Menschen in dieser Situation auch gut zur Seite stehen.“ Bei Gisela Resch, die seit acht Jahren beim Kiho mitarbeitet, gab der Wunsch den Ausschlag, in ihrem Ruhestand etwas Sinnvolles mit Menschen machen zu wollen. „Ich habe meinen ersten Mann verloren als meine Kinder vier und fünf Jahre alt waren. Damals gab es so etwas wie den Kinderhospizdienst leider noch nicht. Deshalb helfe ich gern dabei, Kinder durch so eine Zeit zu begleiten“, sagt die 70-Jährige aus Schönaich.

Beide Frauen haben schon etliche Kinder und deren Familien durch von Krankheit und Tod geprägte Lebensphasen begleitet. Worauf es dabei ankommt? Die Chemie zu den Familien, insbesondere zu den Kindern, muss stimmen und die Ehrenamtlichen müssen gut für sich sorgen und bei allem Mitgefühl auch eine gewisse Distanz wahren können – zur Situation, nicht zu den Menschen. „Wir können die Familien und die Kinder nur gut begleiten, wenn es uns selber gut geht. Mitfühlen, aber nicht mitleiden“, bringt es Gisela Resch auf den Punkt.

Besonders wichtig und hilfreich finden beide die Gruppentreffen, bei denen sie sich mit anderen austauschen und sich gegenseitig unterstützen können sowie die regelmäßige Supervision, die Denkanstöße gibt und als potenzielles Korrektiv fungiert. Beim Kiho fühlen sie sich gut aufgehoben. „Wir sind eine große Gruppe von Ehrenamtlichen und diese Gemeinschaft, der regelmäßige Austausch, das Wissen und die Erfahrung der anderen und die Unterstützung durch die Hauptamtlichen helfen uns sehr“, betont Katarina Schneiderova. „Wir könnten diese Arbeit nicht als Einzelpersonen machen, wir brauchen dazu unser Team, denn wir lernen am meisten voneinander. Jeder von uns ist anders und geht die Begleitung ein bisschen anders an – und jeder macht es auf seine Art richtig.“

Wird eine Begleitung angefragt, sucht Kiho-Einsatzleiterin Claudia Frers nach einer passenden Mitarbeiterin. Die Ehrenamtlichen entscheiden dann, ob sie sich diesen Einsatz gut vorstellen können. „Es muss sich richtig anfühlen, sonst kann man die Familien nicht gut unterstützen. Entscheidend ist zudem immer, was für die Kinder gut ist“, erklärt Gisela Resch. Dennoch können die Einsätze sehr herausfordernd sein. Schwierige Fragen wie „Wann kommt mein Bruder wieder zurück?“ verlangen einfühlsame, wohlüberlegte, aber ehrliche Antworten. Wenn Kinder traumatische Situationen nachspielen, geht das auch an den Begleitern nicht spurlos vorbei und erfordert viel Feingefühl. „Es gibt durchaus Fälle, wo wir an unsere Grenzen kommen. Da sind wir dann besonders froh über Supervision und Gruppentreffen“, erzählt Katarina Schneiderova. „Aber auch bei einer Begleitung, die gut läuft, braucht man immer wieder Unterstützung. Bin ich noch auf dem richtigen Weg? Ist das für mich noch gut? Was macht das mit mir? Man muss immer in sich hineinhören.“

Was bei den wöchentlichen Treffen passiert, entscheiden die Kinder. „Wir tun das, was für die Kinder gerade ansteht. Oft ist es wichtig, mit ihnen rauszugehen, sie aus der Trauerumgebung rauszuholen und bestimmen zu lassen, was gemacht werden soll. Dann geht man halt auch mal zum Schlittschuhlaufen oder in den Skatepark“, betont Gisela Resch. „Für mich sind die Einsätze wie ein Überraschungsei: Ich weiß nie, wie das Kind, das ich begleite, an diesem Tag drauf ist“, erklärt Katarina Schneiderova. „Ich lass mich einfach darauf ein und bin auf das Meiste vorbereitet. Im Auto habe ich eine Riesen-Bastelkiste und Schuhe, die schmutzig werden dürfen. Oder das Büchlein „Frag mich mal“, das kommt immer gut an. Bisher mochten das alle Kinder.“ Doch gehören auch ernste Gespräche und schwierige Fragen zur Begleitung dazu. „Wir reden nicht ständig über Tod und Trauer, manchmal auch gar nicht. Aber früher oder später reden alle über das Erlebte oder stellen unvermittelt Fragen, bei denen man sehr über die Antwort nachdenken muss. Wir zwingen ihnen nichts auf, sie erwarten oft auch keine genaue Antwort, sie wollen diese Frage stellen und gehört werden“, weiß Katarina Schneiderova.

Beide lieben es, wenn sie von den Kindern freudig erwartet werden und ihnen ein paar unbeschwerte Stunden bescheren können. „Es ist schön, die Kinder entspannt und glücklich zu sehen!“, schwärmt Katarina Schneiderova. „Ich denke, das kriegen wir oft hin. Wir nehmen uns Zeit für sie und bringen damit ein Stück Stabilität in die Familie.“ Die Begleitungen sind intensiv, doch ist von Anfang an klar, dass sie von begrenzter Dauer sind. „Uns fällt es nicht leicht, Familien zu verlassen, wir bauen ein Verhältnis auf“, erklärt sie. „Aber man spürt es, wenn die Familie wieder stabil ist. Wir gehen immer mit dem guten Gefühl: Jetzt können sie auf unsere Begleitung verzichten.“

Gisela Resch und Katarina Schneiderova (rechts) engagieren sich ehrenamtlich beim Kinder- und Jugendhospizdienst.GB-Foto: gb

Gisela Resch und Katarina Schneiderova (rechts) engagieren sich ehrenamtlich beim Kinder- und Jugendhospizdienst.GB-Foto: gb

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Erstellt:
21. Dezember 2024

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