Ein kleines Idyll am steilen Hang

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Ehepaar Magda Spielmann und Helmut Heimeier in ihrem Weinberg: „Das ist unser internes Sportstudio“ GB-Fotos: jg

Ehepaar Magda Spielmann und Helmut Heimeier in ihrem Weinberg: „Das ist unser internes Sportstudio“ GB-Fotos: jg

Ein kleines, handbestelltes Idyll erstreckt sich an einem Hang in Unterjesingen. Die beiden Weinberg-Parzellen sind ein Familienerbstück, das inzwischen in der zweiten Generation bestellt wird. Das Ehepaar Magda Spielmann und Helmut Heimeier aus Herrenberg kümmert sich liebevoll um seine ökologisch angebauten Weinreben. In der Begrünung zwischen den Rebzeilen verstecken sich botanische Schätze.

Für die 69-Jährige und den 78-Jährigen ist ihr Weinberg ein Hobby, eine Leidenschaft, in der sich ihre Liebe zur Natur insgesamt widerspiegelt. Das Ehepaar hegt und pflegt an dem steilen Hang ein Biotop, das vielen Pflanzen und Tieren einen Lebensraum bietet. Dazu trägt der konsequente Verzicht auf Kunstdünger und synthetische Spritzmittel bei. Seit 21 Jahren kümmern sich Magda und Helmut gemeinsam um den Weinberg.

Die Geschichte des Paares und seines Weinberges beginnt jedoch viel früher, mit Magdas Vater Willy Spielmann. Ein „Weinfanatiker“ sei der Brackenheimer gewesen, wie sie erzählt. Eines Tages war er bei Freunden eingeladen, in eine Weinberghütte in Unterjesingen. Davon war er so begeistert, dass er gleich einen Weinberg kaufen wollte. 1957 erfüllte er sich den Traum und wurde stolzer Eigentümer zweier Parzellen.

Selbst Wein zu machen habe Willy Spielmann jedoch nur einmal versucht, und das mit mäßigem Erfolg, erzählt Helmut Heimeier. Allerdings hatte er Freunde in der Weinbaugemeinde Metzingen. Dort schloss er sich einer Weinbaugenossenschaft an, bei der er seine Trauben zur Weiterverarbeitung abgab. Magda Spielmann hat bei der Weinlese schon als Kind, später als junge Frau mitgeholfen, wenn auch nicht sonderlich begeistert, wie sie mit einem Lächeln erzählt.

Im Lauf der Jahre hat sich das geändert. Heute kümmern sie und ihr Mann sich hingebungsvoll um das Stück Land. Die beiden lernten sich im Juli 1997 bei einer botanischen Exkursion nach Bad Eisenkappel an der slowenischen Grenze kennen, organisiert vom Reutlinger Verein Bund Naturschutz Alb-Neckar. Helmut Heimeier war als Bezirksgruppenleiter für den Verein tätig. Am ersten Tag seien alle aus dem Bus gestiegen, erzählt Heimeier mit leuchtenden Augen, und Magda Spielmann sei aus der Masse einfach hervorgestochen. „Bis zum Gipfelkreuz waren wir mehr oder weniger zusammen“, erinnert er sich lachend.

Beim Vesper, zu dem Gemüse vom eigenen Weinberg gehörte, kamen die beiden über eben diesen ins Gespräch. Anfang Dezember heirateten sie – und hatten bis dahin den Weinberg „voll im Griff“, so Heimeier. Als Rentner hatte er die notwendige Zeit, sich darum zu kümmern, auch wenn er keinerlei Erfahrung mit dem Weinanbau hatte. „Man musste viel machen“, erinnern sich beide. Mit den noch vorhandenen Stöcken experimentierte das Paar. Sie spritzten ihre Pflanzen nicht und mussten feststellen, dass nachher fast keine Trauben übrig blieben. „Wenn man nicht spritzt, kann man keinen Wein erwarten“, erklärt Heimeier.

Das Ehepaar bildete sich fort, wurde Mitglied im Unterjesinger Obst- und Weinbauverein. Ab 1999 rodeten sie die alten Weinstöcke und ersetzten sie durch die pilzwiderstandsfähige neue Rebsorte Regent auf insgesamt neun Ar. Von ihrer Beschaffenheit her hat es die Fläche in sich. Der Weinberg liegt an einem steilen Hang, die Furchen zum Gehen sind schmal und uneben. Dafür ist die Aussicht, die man hier beim Arbeiten oder Sitzen in der kleinen Weinlaube hat, unbezahlbar.

„Das ist unser internes Sportstudio“, scherzt Magda Spielmann. „Keiner will das heute haben, das ist viel zu viel Arbeit“, meint Helmut Heimeier. Die beiden machen alles in Handarbeit, ohne Maschinen. Dafür ist es zu eng und zu steil. Nach der Weinlese gräbt Helmut Heimeier mit einem Spaten jede zweite Zeile um und sät im folgenden Frühjahr eine neue leguminosenbetonte Begrünung ein. „Das ist nicht immer ein Vergnügen“, berichtet er. Im Herbst könne der Boden hart wie Beton sein, wenn es nicht geregnet hat. Kam zu viel Niederschlag, klebt der Boden am Spaten.

Die Trockenmauern haben ihm auch einiges an Arbeit beschert. Alle zwölf hat er inzwischen erneuern müssen, die letzte habe Anfang Juli „gekalbt“. Bei Trockenmauern werden Steine ohne Mörtel aufeinandergeschichtet. Der Keuperboden hinter der Mauer arbeitet, er schrumpft und bildet Risse bei Trockenheit. Loses Material, das in diese fällt, bewirkt beim Aufquellen nach Niederschlägen, dass sich eine Beule bildet und schließlich Steine aus der Mauer lösen.

Der Aufwand beim Spritzen fällt für das Paar recht gering aus. Sie verwenden einen ökologischen Blattdünger, dessen Inhaltsstoff ursprünglich als wirksamer Bestandteil in Braunalgen entdeckt wurde. Das Mittel tötet zwar nicht die Pilzsporen des falschen Mehltaus – des größten Feindes der Weinreben – es verhindert aber, dass sich aus den Sporen Pilzhyphen bilden. Immer wieder werde diskutiert, ob es sich dabei um einen Blattdünger oder ein Pflanzenschutzmittel handle, denn für Letzteres bedarf es einer Zulassung. Endgültig geklärt, so das Paar, sei das nicht.

Als Mitglied des Beratungsdienstes Ökologischer Weinbau am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg ist Magda Spielmann und Helmut Heimeier daran gelegen, nur organische Dünger in ihrem Weinberg einzusetzen. Ihr Ertrag fällt ohne Kunstdünger deshalb geringer aus. Maximal die Hälfte von dem, was sie in ihrer Steillage ernten dürften, wird gelesen. Im besten Jahr waren das 814 Kilogramm, im schlechtesten 397 Kilogramm. Im Mittel sind es etwa 600 Kilogramm Trauben jährlich, aus denen Rotwein und Weißherbst werden. Die schlechteren Jahre verdanken Magda und Helmut Schädlingen wie der Kirschessigfliege und schlechten Wetterbedingungen wie spätem Frost und Trockenheit.

Neben Weinreben wächst aber noch mehr auf dem Spielmann-Heimeier-Grundstück. Magda Spielmann kümmert sich vorwiegend um ihre Apfelbäume und ihr Gemüse, das im oberen Teil wächst. Dazu kommen viele selten gewordene Pflanzenarten, wie zum Beispiel die Kornrade oder der Strahlenbreitsame. Auch Orchideen und Schwertlilien finden sich auf dem Weinberg. „Im Frühjahr blüht es wunderschön“, beschreibt sie.

Was Magda Spielmann und Helmut Heimeier da pflegen, ist nicht nur ein Weinberg. Es ist ein Biotop, so Heimeier. Eine Symbiose zwischen Natur und Nutzung durch den Menschen, die, wie beide erzählen, immer seltener wird und einer größeren Wirtschaftlichkeit weichen muss. Magda Spielmann und Helmut Heimeier sind ein Beispiel dafür, dass es – trotz des größeren Aufwandes – noch immer Menschen gibt, die die Mühen der Handarbeit mit Begeisterung auf sich nehmen.

Wer sich den Weinberg einmal selbst anschauen will, kann am Samstag, 11. August, ab 14 Uhr an einer kostenlosen Führung mit Helmut Heimeier teilnehmen. Anmeldungen sind bis zum 8. August unter 0170 / 3 42 52 05 möglich. JACQUELINE GEISEL

Ehepaar Magda Spielmann und Helmut Heimeier in ihrem Weinberg: „Das ist unser internes Sportstudio“ GB-Fotos: jg

Ehepaar Magda Spielmann und Helmut Heimeier in ihrem Weinberg: „Das ist unser internes Sportstudio“ GB-Fotos: jg

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Erstellt:
1. August 2018

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