„Für den Erfolg braucht es auch Köpfe“
Handball: Der VfL Herrenberg blickt auf eine 90-jährige Geschichte zurück. Der Frauenhandball wird schon in den 50er Jahren im Gäu salonfähig gemacht. Größte Zäsur kommt mit der Bildung der SG H2Ku Herrenberg.
Lesedauer: ca. 4min 41sec
Aus dem Privatarchiv von Karl Leyrer stammt eines der ältesten Mannschaftsbilder der Herrenberger Handballer aus dem Jahr 1934. Nur wenige Namen sind überliefert, in der oberen Reihe stehend sind es Walter Jedele (Zweiter von links), Adolf Raber (Vierter von links), Traugott Weippert (Dritter von rechts) und Eugen Etzel (rechts), vorne sitzend ganz rechts ist Karl Leyrer abgebildet. GB-Foto: VfL-Archiv
Wo ist nur die Zeit geblieben? Mittlerweile seit 90 Jahren gibt es Handball in Herrenberg, knapp ein Drittel dieser Zeit wurde der Sport durch die 1993 gegründete Spielgemeinschaft Herrenberg/Haslach/Kuppingen (heute SG H2Ku Herrenberg) in besonderem Maße geprägt. Die SG wird bei der heutigen Abteilungssitzung im VfL-Center Gebäude 2 nicht allein im Mittelpunkt stehen, vielmehr soll der Gesamtblick auf neun Jahrzehnte Handball beim VfL Herrenberg gerichtet werden.
Die Namen Willy Schächinger, Hans Thürner, Traugott Weippert, Walter Jedele und Karl Leyrer dürften heute nur noch wenigen Mitgliedern beim VfL etwas sagen. Dabei waren es diese Sportkameraden, denen es zu verdanken ist, dass es den Handballsport in Herrenberg überhaupt gibt. Damals, am 15. Februar 1932, hielten sie mit weiteren 15 jungen Männern die Gründungsversammlung im Gasthaus „Schützen“ ab. Fortan war ein monatlicher Beitrag von 20 Pfennig zu entrichten. Wie der Verein zum eigentlich dominierenden Fußballsport stand, belegt eine festgelegte, strikte Regel, die der Chronik zu entnehmen ist: „Jeder Spieler, der mutwillig mit dem Handball fußballspielt, wird verwarnt. Kann der Spieler trotz Verwarnung diese Handlung nicht unterlassen, wird er aus dem Verein ausgeschlossen.“
Im weiteren Verlauf galt es vornehmlich, den Handballsport in der Stadt populärer zu machen. Richtungsweisend war der Dezember 1946, als der VfL eines der ersten Hallenturniere überhaupt in der Stadthalle veranstaltete. Später wurde die legendäre Mehrzweckhalle angebaut, an die sich Detlef Langer noch gut erinnert. „Als ich Anfang der 1970er Jahre im C-Jugend-Alter mit Handball anfing, wurden die Stadtmeisterschaften in der Mehrzweckhalle auf Asphaltboden ausgetragen. Die Halle war proppenvoll mit Zuschauern, ein paar Meter hinter dem Spielfeld wurden die Würste gegrillt. Solche Events würde heute niemand mehr genehmigen“, sagt der ehemalige Spieler, Jugendtrainer und Abteilungsleiter der VfL-Sparte lächelnd.
Noch lange vor der Ehrenamtszeit von Detlef Langer glänzte die Handballabteilung mit ersten Höhepunkten. Im März 1958 wurde unter Herbert Krauß und dem heute über 90-jährigen Erich Rode der Frauenhandball in Herrenberg salonfähig gemacht. Der Chronik lässt sich entnehmen, dass es bereits 1946 eine Damen-mannschaft gegeben hat, die in diesem Jahr eine Partie gegen die Bondorfer Jugend mit 2:3 verloren hat. Das internationale Turnier mit Teilnehmern wie Vikingarna Hälsingborg oder TV Kaufleute Bern wird zu einem Meilenstein in der Geschichte, genauso jenes im September 1977, an dem auch der VfL Gummersbach sowie Teams aus Kopenhagen und dem schwedischen Ystad teilnahmen. Im Oktober 1983 wurde das 50-jährige Jubiläum der Abteilung in gebührendem Rahmen in der Affstätter Gemeindehalle gefeiert.
Ab 1962 leitete zudem mit dem viel zu früh verstorbenen Manfred Block eine der prägendsten Figuren der Abteilung die Geschicke, in Summe war er 27 Jahre lang Abteilungsleiter. Unter seiner Ägide wurden Anfang der 1990er Jahre die Weichen in Richtung Spielgemeinschaft mit dem TV Haslach und dem HSV Oberjesingen/Kuppingen gestellt. Wie es sich herausstellte, handelte es sich dabei um ein Erfolgsmodell, das seinesgleichen sucht.
„Es gab damals schon auch kritische Gegenstimmen, obwohl alle Beteiligten offen und fair miteinander umgingen“, blickt Detlef Langer auf das Jahr 1993 mit der SG-Entstehung zurück, „einige Mitglieder sind aus dem Verein getreten. Als sich ein paar Jahre später im Aktiven- und Jugendbereich der Erfolg einstellte, kamen die meisten wieder zurück“. Inzwischen würden sich laut Langer viele eher mit der SG H2Ku Herrenberg als mit ihrem sogenannten „Stammverein“ identifizieren. „Im Grunde ist das eine gute Entwicklung. Dass es in diese Richtung geht, war damals auch gewollt.“ Im Zuge des vertraglichen Zusammenschlusses zur Spielgemeinschaft, die von den Delegierten der Stammvereine geleitet wird, brachte jeder Verein seine Spielklasse mit ein, bewahrte aber trotzdem seine Eigenständigkeit. „Ziel war es, sich bei den Damen und Herren in Richtung Oberliga zu orientieren“, so Detlef Langer, der mittlerweile seit 22 Jahren als dienstältester Funktionär im Vorstand des VfL-Gesamtvereins tätig ist. „Anfangs lief es sportlich und organisatorisch noch etwas holperig, manches musste sich erst einspielen. Aber peu à peu ging es bei der SG aufwärts.“
Einer der wichtigen Eckpfeiler in der Spielgemeinschaft war und ist die engagierte Nachwuchsarbeit. Startete die SG in ihre erste Saison 1993/94 mit 18 Jugendteams, so waren es vier Spielzeiten später bereits 31 Mannschaften. Unter den Fittichen von Birgit Egenter und Stephan Christ spielten die weibliche A-Jugend beispielsweise eine Saison lang in der Bundesliga. „Solche Maximalerfolge haben wir heute zwar nicht mehr, aber auf Verbandsebene sind wir immer noch gut vertreten“, sagt Detlef Langer, der in diesem Zusammenhang betont, dass eine Fusion allein nicht den erhofften Erfolg bringt. „Andere Vereine im Bezirk wollten das SG-Erfolgsmodell abkupfern, aber da klappte es bei der Umsetzung nicht. Für den Erfolg braucht es auch Köpfe.“
Im Herrenberger Handball gab es davon in der Vergangenheit einige. Solche wie die bereits erwähnten Manfred Block und Erich Rode beispielsweise, die unter anderen mit dafür sorgten, dass sich der Handballsport heute dort befindet, wo er ist. Die beiden hochklassigen Teams der SG H2Ku, die im kommenden Jahr 30 Jahre alt wird, spielen in der Zweiten Bundesliga (Frauen) und der Oberliga (Männer). Eine GmbH unter der Leitung von Geschäftsführerin Katja Rhotert steuert den Spielbetrieb. Der untere Jugendbereich wird von den Stammvereinen organisiert, ab der D-Jugend kommt die SG H2Ku ins Spiel, wo eine gewisse Steuerung in Richtung Leistungs- und Breitensport erfolgt.
Viele Funktionäre orientieren sich in der Pandemiezeit neu
Rückblickend hat Detlef Langer viele gute und wertvolle Erinnerungen an das Handball-Vereinsgeschehen beim VfL und in der SG. „Der Verein hat mir lange Jahre so viel gegeben. Das ist mit ein Grund, warum ich mich weiter gerne ehrenamtlich einbringe“, sagt der 58-jährige. In puncto Vereinsengagement wirft er allerdings auch einen skeptischen Blick auf die allgemeine Entwicklung: „Viele Funktionäre haben sich in der Pandemiezeit ein Stück weit umorientiert. Egal, ob im Wahlamt oder als Übungsleiter, in diesem Bereich bröckelt es gerade vielerorts. Man muss abwarten, wie sich das in Zukunft gestaltet.“ Was die Entwicklung des Handballsports im Generellen angeht, sagt Langer: „Früher sagte man, ein Spiel ist im Normalfall gewonnen, wenn man es schafft, nicht mehr als 15 Tore zu bekommen. Der Fokus lag eindeutig auf der Defensivarbeit“, erinnert sich der Funktionär, „heute ist das undenkbar. Der Sport ist rasanter und athletischer geworden, alle Mannschaften suchen den schnellen Torabschluss und es geht über die gesamte Spielzeit Schlag auf Schlag.“ Und was ihm im Gegensatz zum Fußball außerordentlich gefällt: „Wenn ein Schiedsrichter pfeift, wird nicht gemeckert. Da wird noch diszipliniert und respektvoll miteinander umgegangen.“ Beinahe ganz so, wie es schon in der Chronik aus dem Jahre 1932 geschrieben steht.
Am heutigen Donnerstag nach der Abteilungsversammlung (18.30 Uhr, VfL Center Gebäude 2, Raum B), in der die Berichte sowie Neu- und Wiederwahlen anstehen, wird bei einem Empfang mit Catering und viel Fachsimpelei das 90-jährige Bestehen gefeiert. „Aus meiner Sicht ist das auch deshalb ein besonderer Termin, weil Mitgliederversammlungen in Corona-Zeiten stets mit Einschränkungen verbunden waren“, sagt der aktuelle VfL-Abteilungsleiter Jan Engau, „nun wollen wir gemeinsam auf die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft anstoßen.“
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Erste Handballmannschaft des VfL Herrenberg im Jahr 1946/47 mit (stehend von links) Theo Gentner, Alfred Wacker, Peter Föhl, Hans Braitmaier, Paul Sting, Robert Blech, Walter Eipper, Erich Hagenlocher, (vorne von links) Ottfried Heininger, Gustav Härter und Walter Wacker. GB-Foto: VfL-Archiv
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Detlef Langer: „Im Grunde ist die SG eine gute Entwicklung“. GB-Foto: tho