„Ich gehe hier mit zwei Titeln“
Fußball: Der aus Gültstein stammende Mittelfeldregisseur Andreas Kiwranoglou schafft mit den SF Gechingen den Landesliga-Aufstieg und wechselt nun zum Ligarivalen TSV Ehningen.
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Die SF Gechingen sind die Mannschaft der Stunde: Der Landesliga-Aufstieg über die Relegation krönte eine ungewöhnlich lange und erfolgreiche Saison. GB-Foto: gb
Trikot aus – alle viere von sich gestreckt. Als der Oberliga-erfahrene Schiedsrichter John Bender am Sonntag das Relegationsspiel zwischen den SF Gechingen und der SG Deißlingen (1:0) abpfiff, spielten sich auf dem Zimmerner Sportplatz unbeschreibliche Szenen ab. Eine Zentnerlast fiel von den Gechinger Spielern. Trainer Manuel Vogt, der seine Mannschaft drei Jahre lang beharrlich zu einem Spitzenteam der Bezirksliga geformt hatte, sank auf die Knie und grub sein Gesicht sekundenlang vor Erleichterung in den Rasen. Wenige Meter entfernt lag der 26-jährige Andreas Kiwranoglou lang auf dem Rücken, das ausgezogene Trikot neben sich. „Das war unser 41. Saisonspiel“, atmete der Gültsteiner erst mal tief durch. Zuvor, als die SG Deißlingen angesichts des 0:1-Rückstandes noch einmal alles nach vorne warf, war Kiwranoglou der ruhende Pol in der Schlacht. Der Linksfuß zog die Befreiungsschläge von Abwehrchef Dennis Carl regelrecht an, schlug ein, zwei Hacken an verdutzten Gegenspielern vorbei und sortierte den nächsten Gegenangriff. „In einem Spiel kann man seine Ballverluste an einer Hand abzählen“, lässt Vogt auf einen seiner Schlüsselspieler nichts kommen. Und der Erfolgstrainer, der beim Württembergischen Fußballverband (WFV) angestellt ist, verzieht vielsagend die Miene: „Und er kann noch viel mehr.“
Andreas Kiwranoglou wusste, dass er nun nach sechs Jahren bei den Sportfreunden den nächsten Schritt gehen musste. Der Sachbearbeiter in der Entwicklungsabteilung beim Daimler hatte bereits in der Saison 2017/18 auf Anhieb einen Stammplatz im Mittelfeld der damals in der Landesliga spielenden Gechinger erreicht. Der 1,86 Meter große Modellathlet brachte alles mit. Bis zum ersten Jahr C-Jugend kickte er noch bei seinem Heimatverein TV Gültstein, zuweilen war sein Vater Christos „Kiwi“ Kiwranoglou zudem sein Trainer. Bis zum zweiten B-Jugendjahr ging es dann in die Talentschmiede des TuS Ergenzingen, ehe die Oberliga-B-Jugend der TSG Balingen auf das Talent aufmerksam wurde. Damals wurde er mit zwei weiteren Talenten aus dem Gäu gesichtet. Als die beiden absprangen, stellte sich die Frage, ob er respektive seine Eltern alleine die Anreise zum mehrmals wöchentlichen Training in Balingen auf sich nehmen würden. Da kam Benjamin Maier als A-Jugendtrainer des VfL Nagold zum Zug, die letzten beiden Jugendjahre verbrachte der Gültsteiner wie schon viele Talente des TVG zuvor (Marian Asch beispielsweise) im Nagoldtal. Im Aktivenbereich des VfL kickte Kiwranoglou nur eine Hinrunde in der Landesliga, ehe er freiwillig sich dem Bezirksligateam der VfL-Zweiten anschloss – da war Maier gerade Coach geworden. Dann lockte Gechingen, so Andreas Kiwranoglou: „Das war eine Top-Adresse und hier stimmt vor allem das Umfeld.“ Seit drei Jahren weckte Manuel Vogt zudem den Ehrgeiz bei seinen Spielern. Der SFG-Coach: „Andreas ist mit Abstand der talentierteste Spieler, den ich bislang trainieren durfte. Er ist charakterlich einwandfrei und ein absoluter Teamplayer. Und der schnellste Spieler von allen.“
Schmunzelnd erinnert er sich an die kurzen Videoschnipsel, die Kiwranoglou stets aus seinem ausgedehnten Sommerurlaub aus dem griechischen Thessaloniki ihm schickte: „Da absolvierte er bei 40 Grad Hitze Bergläufe, weil, er wollte trotz verpasster Vorbereitungswochen natürlich nach seiner Rückkehr von Anfang an spielen: ’Trainer, schau: Ich laufe jeden Abend’.“ In Gechingen, so räumt Kiwranoglou ein, hat er sich zu einem Akteur mit einer enormen Physis weiterentwickelt: „Bei uns haben sich die drei Trainingseinheiten – und da ist keine Einheit zur Regeneration dabei – voll ausgezahlt.“
Schon früh im Februar hat sich Andreas Kiwranoglou dennoch zum Wechsel zum TSV Ehningen entschlossen: „Sportlich wollte ich noch was Höheres machen.“ Dem Team gegenüber machte er, wie sich Manuel Vogt erinnert, gleich eine klare Ansage: „Ich gehe hier mit zwei Titeln.“ Zwar ist es mit der Bezirksliga-Meisterschaft nichts geworden, dafür wurde der Aufstieg über die Relegation geschafft. Und der Bezirkspokalsieg gegen Rohrau kann ihm keiner mehr nehmen. Als Social-Media-Beauftragter wird Kiwranoglou noch ein paar Tage aktiv sein. Vogt: „Man spürt, dass ihm der Abschied ein wenig wehtut.“ Bis Sonntag, 2. Juli, feiert er mit der Mannschaft auf Mallorca den Aufstiegstriumph. Dann schaut er in der Vorbereitung beim TSV Ehningen für zwei Wochen rein, ehe es zum Urlaub wieder mal in die Heimat der Großeltern geht. Gut möglich, dass bald Ehningens neuer Trainer Elvir Adrovic in seinem WhatsApp-Account auf dem Handy anschauen kann, wie man bei brütender Hitze den Berg hoch Sprints absolvieren kann.

Andreas Kiwranoglou. GB-Foto: gb