Künftig Mittagstisch statt Traditionsmetzgerei

Wolfgang Gerullis stand drei Jahrzehnte in seiner Wurstküche und hinter der Verkaufstheke GB-Foto: Holom
Eine eigene Metzgerei zu eröffnen – dieser Wunsch wuchs in Wolfgang Gerullis schon früh. 1989 erfüllte er sich diesen Traum in der Tübinger Straße in Herrenberg. Mittlerweile 30 Jahre betreibt der gebürtige Leonberger dort seinen Metzgereibetrieb. Nun, mit 60 Jahren, schließt Wolfgang Gerullis sein Fachgeschäft und konzentriert sich künftig auf sein bestehendes Catering und auf eine neue Geschäftsidee: Er wird die Metzgerei umgestalten, um dort einen Mittagsimbiss anzubieten. Wobei: Leicht gefallen ist ihm die Entscheidung nicht, sich von dem Traditionsgeschäft zu verabschieden. Mehrere Gründe kamen jedoch zusammen: Zum einen sei die Arbeit anstrengend und kräftezehrend. Zum anderen ziehe er die Konsequenzen „aus einer erst schleichenden, zuletzt galoppierenden Entwicklung“, die den Einzelhändlern und kleinen Dienstleistern in Herrenbergs Altstadt keine Luft mehr lasse, erklärt Gerullis und konkretisiert: „Überall Ladenleerstand, ständiger Pächterwechsel, kaum noch Attraktivität.“ Die Kundenfrequenz nehme ab – auch wegen fehlender Parkmöglichkeiten: „Jeder zweite Kunde beschwert sich, dass es keine Parkplätze in der Innenstadt gibt. Das ist vor allem für ältere Menschen ein Pro-
blem.“ Aber auch allgemein habe sich das Kaufverhalten der Kundschaft verändert: „Man kauft billig und bequem dort ein, wo es alles gibt, vorwiegend in Supermärkten und Discountern.“
„Es macht mir Spaß, für Menschen Essen herzustellen und zuzubereiten – das war immer mein Ding. Und wenn nachher noch ein Lob kommt, ist das toll“, schwärmt der Metzgermeister von seinem Beruf. Nach seiner Metzgerlehre in Leonberg-Eltingen arbeitete er zunächst in zwei Metzgereien und machte 1982 seinen Meister. Dann zog es ihn für viereinhalb Jahre in die Ferne – nach Ägypten. „Ich wollte mal etwas anderes sehen, andere Einblicke erhalten“, sagt er. Im Sheraton-Hotel in Kairo war er in der Küche in der Metzgereiabteilung beschäftigt. „Das war eine lehrreiche und sehr bereichernde Zeit“, blickt Wolfgang Gerullis zurück. 1988 kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete ein Jahr hinter der Metzgereitheke eines Supermarkts in Döffingen, bevor er nach Herrenberg kam. In der Fleischerzeitung hatte er eine Anzeige gelesen, dass der Inhaber der Herrenberger Metzgerei in der Tübinger Straße – Fritz Fischer – einen Nachfolger suchte. So wurde Wolfgang Gerullis sein eigener Chef. Seit 1989 war die Metzgerei, die er Stück für Stück optimiert habe, „die Achse, um die sich mein Leben gedreht hat“, sagt Gerullis, der das Gebäude mit der Metzgerei gekauft hat. Er wohnt in der Wohnung über der Metzgerei – so sind kurze Wege garantiert. Vor etwa 25 Jahren kam noch das Catering hinzu. „Dabei waren für mich die Erfahrungen aus meiner Arbeitszeit im Hotel in Ägypten sehr hilfreich“, erklärt Gerullis. Die Speisen für das Catering bereiten er und seine drei Angestellten in der Küche hinter dem Verkaufsraum zu. Gerne habe er seine Kraft und Zeit in seinen Betrieb investiert und „jede Woche mindestens 70 Stunden, häufig auch an den Wochenenden, gearbeitet“.
Zum letzten Mal können Kunden am Samstag, 3. August, bei Wolfgang Gerullis an der Theke Wurst, Fleisch und Co. kaufen. Für den Vater von zwei erwachsenen Kindern ist es jedoch nicht vorstellbar, von heute auf morgen gar nicht mehr zu arbeiten. Von Vorruhestand will er nichts wissen, vielmehr wird er auch künftig sein Catering anbieten. Zudem möchte er das Ladengeschäft so umgestalten, dass die Kunden dort verweilen und ein Mittagessen einnehmen können. Montags bis freitags von 11 bis 14 Uhr will er ein Hauptgericht sowie ein kleines Büfett mit Salaten, Fleischgerichten und vegetarischen Speisen anbieten. Für Mädchen und Jungen soll es eine „Schülertüte mit belegten Brötchen, Salat und Obst“ geben, als „gesunde Alternative zu Fast Food“, so Gerullis. Ein genaues Datum für die Eröffnung des Mittagstischs gibt es noch nicht.
Nicht wegzudenken ist Wolfgang Gerullis seit vielen Jahren auch bei einer Herrenberger Großveranstaltung: Bei der Herbstschau bewirtet der Metzgermeister im Festzelt Scharen von Besuchern – eine Mammutaufgabe, die ihm viel Freude bereitet. Zwar wird es die Messe in diesem Jahr wegen der Bauarbeiten auf dem Seeländer-Gelände und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Ausstellungsflächen, Zufahrten und Rettungswege nicht geben (der „Gäubote berichtete) – nach dieser Zwangspause aber will Gerullis auch weiterhin als Festwirt bei der Herbstschau agieren.
Wolfgang Gerullis freut sich auf die kommende Lebensphase. Zwar wird er
mit dem Catering und dem Mittagstisch viel zu tun haben – gleichwohl bleibe ihm nun mehr Raum zur freien Gestaltung. Viele ungelesene Bücher warten auf ihn, wie er bekundet. Vor allem aber möchte er mehr Zeit mit seinem sechs Monate alten Enkel Henry verbringen. ESTHER ELBERS