Spannendes Spektrum an Stilen und Inhalten
Herrenberg: Bei der Charity-Gala zugunsten der Aktion „Miteinander – Füreinander“ am Freitagabend im Mauerwerk steht die Sprache im Fokus. Der Mix aus Poetry Slam und Musik findet beim Publikum Anklang.
Lesedauer: ca. 3min 18secSeit gut einem Dutzend Jahren lädt die Band „4 more friends“ Anfang Januar zur Charity-Gala zugunsten der „Gäubote“-Weihnachtsaktion des Arbeitskreises „Miteinander – Füreinander“ ins Mauerwerk. Die Gala für den guten Zweck – in diesem Jahr unterstützt die Aktion den ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Böblingen – steht jedes Mal unter einem besonderen Motto. In diesem Jahr wagten sich die vier Freunde auf Neuland und erweiterten ihr Format um eine zweite Kunstform. Statt eines klassischen Konzerts der Band, teilten sich Frontfrau Julia Dürr, Gitarrist Lorant Magyar und Natia Dhikthyar am E-Piano die Bühne mit drei jungen Poetry-Slammern aus der Region.
Die Idee, so Drummer und Bandleader Chris Seeger, der den Abend weitgehend als Zuschauer miterlebte, sei gewesen, an diesem Abend das gesprochene Wort im Vordergrund stehenzulassen und das Publikum nicht nur, wie gewohnt, mit guter Musik zu unterhalten, sondern auch mit Texten, die zum Nachdenken, Träumen oder Lachen anregen wollen. Poetry Slam, eine relativ neue Form des Dichterwettstreits, bei dem von tiefsinnigen Reimen über witzige Storys bis hin zum Rap-Feuerwerk alles möglich ist, eignet sich dafür schon deshalb gut, weil die Beiträge relativ kurz gehalten sind und sehr unterschiedlich sein können.
Mit Tonia Krupinski, die mit ihren lyrischen Texten lebhaft-eindrucksvolle Bilder für die Ohren malte, Jenny Beilharz, die mit ihrer Gesellschaftskritik nicht hinter dem Berg hielt und Elias Zand-Akbari, der von Politik über Philosophie bis hin zu kulinarischen Genüssen alles in eine Performance verwandelte, war ein spannendes Spektrum an Stilen und Inhalten geboten. Für die Gala-Gäste hieß es: zuhören, mitdenken und das Kopfkino genießen, was die meisten mit ziemlichem Enthusiasmus taten. Das Talent der drei Slammer sowie das Feingefühl, mit dem die Band zu den Texten passende Songs ausgewählt hatte und diese gewohnt mitreißend zu Gehör brachte, sorgten im voll besetzten Mauerwerk für einen rundum gelungenen Abend.
Wettern gegen den „weißen, deutschen Hetero-Cis-Mann“
Jeder der drei Poeten gab drei Texte zum Besten, dazwischen gab es Musik. Den Auftakt machte Tonia Krupinski mit „Schneehäschen“, einem bewegenden Text über einen Jungen, der früh lernt, sich aus den zerrütteten Familienverhältnissen, in denen er aufwächst, in die Musik zu flüchten. Als junger Mann zieht er in die Großstadt, um sein Glück zu finden, gerät aber stattdessen an die falschen Leute und versinkt in Drogen- und Alkoholsucht. Julia Dürr fühlte sich davon an Amy Winehouse erinnert und gab eine mitreißende Version von deren Song „Rehab“ zum Besten. „OK Florian“ hießt der Text, mit dem Jenny Beilharz die halbherzige, scheinheilige Toleranz des Angesprochenen anprangerte, der zwar nichts gegen die gleichgeschlechtliche Liebe hat – solange sie hinter verschlossenen Türen und weit weg von ihm stattfindet. „Ich kann deine sch… privilegierte Sichtweise nicht mehr ertragen“, donnerte sie gegen den „weißen, deutschen Hetero-Cis-Mann“. Leicht in Richtung Agit-Prop ging auch der satirische Beitrag, mit dem Elias Zand-Akbari sich dem Publikum vorstellte. „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“ glitt immer wieder ab in die unsäglichen Untiefen der Ansichten, die mutmaßlich am rechten Rand existieren. Zwischen den Texten sorgte jeweils das passende Musikstück für die stimmungsvolle Vertiefung, wobei das Spektrum von Andrea Bocellis „Vivo per lei“ über Lady Gagas „A Million Reasons“ und Patti Labelles „Lady Marmalade“ bis hin zu „Irgendwas bleibt“ von Silbermond reichte.
Voller Emotion und starken Bildern war auch Tonia Krupinskis zweiter Text, „Konfetti im Haar“, in dem sie eindrucksvoll ein schmerzhaftes Beziehungsende beschrieb, in der die Gefühle auch zuvor schon eher einseitig waren. Ausgerechnet ihr „Erotik-Slam“ war dagegen ausgesprochen witzig. Jenny Beilharz erwarb sich Sympathiepunkte mit „Aus dir wird noch mal was“ über eine Ausbildung im sozialen Bereich und was Freunde und Familie dazu zu sagen haben (die Musik dazu: „She Works Hard for the Money“ von Donna Summer) und klagte in ihrem dritten Beitrag über mangelnde Unterstützung beim Verzicht auf Alkohol. Elias Zand-Akbari stellte mit zwei sehr unterschiedlichen Beiträgen – einem philosophischen über den Drang, jeden Augenblick möglichst effektiv zu nutzen und einem urkomischen über seine Leibspeise – seine große Bandbreite unter Beweis und avancierte mit einem Loblied auf „Nudeln – Nudeln!“ zum Liebling des Publikums, das nach der zweiten Wiederholung begeistert mitskandierte.
Am Ende erwartete die Wortakrobaten und Musiker viel Applaus. Fazit: Das neue Format hat die Feuertaufe bestanden. Man darf gespannt sein, was die „4 more friends“ sich für die nächste Gala ausdenken.