Stadt Herrenberg klagt wegen Schließung der Notfallpraxis

Herrenberg:

Von Dietmar Denner

Lesedauer: ca. 2min 44sec
Stadt Herrenberg klagt wegen Schließung der Notfallpraxis

Herrenberg - Am 21. Oktober vergangenen Jahres hat die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) überraschend die Schließung von einem Drittel der Notfallpraxen an 18 Standorten angekündigt. Dagegen regte sich viel Widerstand in der Bürgerschaft und in den betroffenen Gebieten. Nun haben sich 13 betroffene Städte zusammengeschlossen und Klage beim Sozialgericht in Stuttgart eingereicht. Neben Herrenberg ist unter anderem auch Nagold dabei.

„Aus unserer Sicht gab es hier im Vorfeld keine ausreichende Beteiligung, da weder Rettungsdienste noch der Klinikverbund bei dem Prozess beteiligt waren. Aus Sicht der KVBW ist der Vorschlag nachvollziehbar, aus Sicht der Patienten, der Rettungsdienste und der Notfallambulanzen in den kommunalen Krankenhäusern absolut nicht. Und am Ende geht es hier um die medizinische Versorgung unserer Bevölkerung. Wie vielen Menschen das Thema Notfallpraxis auf den Nägeln brennt, unterstreicht die Petition, die über 12000 Menschen aus dem Gäu mittragen und die ich auch im Namen der Nachbar-Bürgermeister an die KVBW übergeben habe. Es ist daher konsequent, dass die betroffenen Kommunen sich gemeinsam rechtlich gegen die Pläne wehren“, sagte Oberbürgermeister Nico Reith zur Klage in einer Pressemitteilung.

Ausgangspunkt der Schließung von Notfallpraxen in Baden-Württemberg war eine Entscheidung des Bundessozialgerichts zum Beschäftigtenstatuts sogenannter „Poolärzte“, die in der Vergangenheit zu einem großen Teil den Notdienst übernommen haben. Diesen müssten eigentlich die Vertragsärzte leisten. Nach Auffassung der Verfasser dieser Pressemitteilung wirkt sich das Urteil allerdings nicht nachteilig auf den Betrieb der Notfallpraxen aus.

Die KVBW hatte in Reaktion auf diese Entscheidung mit einer als „Notbremse“ bezeichneten Maßnahme schon im Oktober 2023 vorläufig acht Notfallpraxen geschlossen und angekündigt, ein neues Notdienstkonzept zu erarbeiten.

Nach der am 21. Oktober 2024 erfolgten Ankündigung der KVBW noch weitere 18 Notfallpraxen, darunter die Standorte der Städte Herrenberg, Müllheim im Markgräflerland, Ettlingen, Nagold, Bad Saulgau, Oberndorf am Neckar, Neuenbürg, Münsingen, Kirchheim unter Teck, Brackenheim, Backnang, Schwetzingen und Tettnang, im Land schrittweise ab dem 1. April 2025 zu schließen, formierte sich heftiger Widerstand.

Zehntausende Unterschriften wurden gesammelt und zwei Protestkundgebungen abgehalten. Abgeordnete aller Landtagsfraktionen äußerten Bedenken gegen die Schließungen, darunter auch der für den ländlichen Raum zuständige Minister Peter Hauk. Die Bürgermeister aller 18 damals betroffenen Städte richteten am 16. Oktober 2024, nachdem die Pläne der KVBW durchgesickert waren, ein Schreiben an Sozialminister Manfred Lucha, der in seiner Rechtsaufsichtsfunktion die Pläne der KVBW unterstützt.

Die KVBW hatte ihre Planungen zur Reform des ärztlichen Bereitschaftsdienstes unter der Überschrift „Zukunftskonzept 2024+“ und die daraus abzuleitenden Umsetzungsmaßnahmen (insbesondere die Schließung bestehender Notfallpraxen) in einer Pressekonferenz am 21. Oktober 2024 der Öffentlichkeit bekannt gemacht und die betroffenen Gemeinden weniger als zwei Stunden vor Beginn der Pressekonferenz über die geplanten Schließungen informiert.

Diesen Standortkommunen wurde dann im Rahmen einer Veranstaltung im Neuen Schloss in Stuttgart am 19. Dezember 2024 „verkündet“, welche Notfallpraxen zu welchen Zeitpunkten geschlossen werden sollen.

Vor allem gegen diese unterbliebene Beteiligung an den Planungen und gegen die intransparente Vorgehensweise richtet sich nun die von 13 betroffenen Städten gemeinsam erhobene Klage.

Dabei stellen sich die Städte nicht generell gegen eine Neustrukturierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Baden-Württemberg. Sie stellen sich in diesem Zusammenhang auch nicht kategorisch gegen eine Schließung von Notfallpraxen im Rahmen eines landesweiten Standortkonzepts. Im Gegenteil, die klagenden Städte erkennen durchaus den Reformbedarf an, um den ärztlichen Bereitschaftsdienst in Baden-Württemberg nachhaltig und zukunftstauglich aufzustellen (GB-Foto/Archiv; Vecsey).

Zum Artikel

Erstellt:
28. Februar 2025

Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.