Zweistellige Minusgrade wären ein Problem

Der Winter ist bislang vergleichsweise mild. Das hat Folgen: Wenn die Obstbäume aufgrund der Temperaturen anfangen zu treiben und es dann doch noch frostig wird, drohen Ernteeinbußen. „Bei offener Blüte kann schon ein Grad Celsius minus zum Totalausfall der Obsternte führen“, erklärt der Bondorfer Obstbauer Helmut Werner.

Von Esther Elbers

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Helmut Werner begutachtet die Entwicklung seiner Obstbäume GB-Foto: Vecsey

Helmut Werner begutachtet die Entwicklung seiner Obstbäume GB-Foto: Vecsey

Eigentlich sind Januar und Februar die kältesten Monate, verdeutlicht Manfred Nuber, Fachberater für Obst- und Gartenbau im Landratsamt Böblingen. „Einzelne warme Tage gab es früher auch mal im Februar“, sagt er. Aber dieser Winter sei zweifellos viel zu warm. Das bringt den Ablauf durcheinander: Im Herbst bereiten sich die Pflanzen auf den Winter vor, indem sie aus den Blättern die brauchbaren Zucker- und Mineralstoffen herausholen und die Blätter dann abwerfen, so Nuber. Diese Stoffe werden im Stamm und im Wurzelstock eingelagert – „dadurch erhöht der Baum seine Frosthärte“, erklärt der Experte. Wenn der Baum jedoch – so wie jetzt – durch warme Temperaturen das Signal erhält, dass der Winter vorbei ist, wird der Saft aus den Zuckerstoffen verdünnt, und die Knospen fangen an zu treiben. Sobald sich die Knospen öffnen, halten sie nicht mehr viele Minusgrade aus. „Die Knospen blühen zwar jetzt noch nicht, aber sie fangen an zu treiben“, verdeutlicht Nuber. Die Gefahr, dass sie Schaden nehmen, sei groß. Schließlich könne es bis Mitte Mai noch frieren. Die Obstbäume und andere Pflanzen seien jetzt drei bis vier Wochen früher dran als gewöhnlich.

Es darf kalt sein, aber zur richtigen Zeit: „Wenn jetzt länger Frost käme, wäre das klasse“, sagt Helmut Werner, der Äpfel, Birnen, Zwetschgen und Kirschen in Bondorf anbaut. Bis zu minus acht Grad seien für die Pflanzen noch kein Problem – „dadurch würde sich alles etwas verzögern. Die Entwicklung würde gebremst“, macht der Vorsitzende des Arbeitskreises Erwerbsobstbau im Kreis Böblingen klar. Bis jetzt sind bei den Bäumen in seinem Betrieb quasi noch alle Knospen geschlossen. Nur bei der Birne seien bei zwei Sorten die Knospen aufgebrochen, was man an den grünen Streifen erkennen könne. „Je mehr die Knospe aufgeht, desto kritischer wird es“, sagt Helmut Werner. Das bedeutet: Auch Temperaturen knapp unter null Grad Celsius können der Blüte dann Schaden zufügen. So ähnlich ist das vor drei Jahren geschehen: Damals war es Mitte April plötzlich sehr kalt: „Da sind alle geöffneten Blüten erfroren“, blickt Helmut Werner zurück. Für die kommende Ernte könnte ebenfalls Gefahr drohen. Positiv ist laut Helmut Werner aber, dass mit einer sehr starken Blüte zu rechnen sei. Ein leichter Frostschaden wäre da nicht so schlimm. Denn, wie auch Manfred Nuber aufzeigt, sind knapp 95 Prozent der Blüten quasi zu viel – oder anders ausgedrückt: Drei bis vier Prozent der Blüten reichen beim Apfelbaum zu einer Vollernte aus. Erwischt die Kälte die Pflanzen jedoch zu einem ungünstigen Zeitpunkt, könnten auch 99 bis 100 Prozent der Knospen erfrieren.

Etwas gefährdeter als in Bondorf sind laut Helmut Werner die Obstbäume am Schönbuchrand. Das bestätigt auch Peter Sindlinger, Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins Kayh. „Am Grafenberg-Südhang, oberhalb von Kayh und Mönchberg, haben wir wesentlich höhere Temperaturen als in Bondorf. Unsere Bäume sind in der Entwicklung schon weiter.“ Das betrifft vor allem die Birnbäume. „Dann kommen die Kirschbäume. Weniger problematisch ist es bei den Apfelbäumen“, erläutert er. Auch die ältere Zwetschgen-Sorte – die Hauszwetschge – blüht etwas später und sei somit nicht so sehr in Gefahr.

Aufgegangen sind die Blüten der Obstbäume auch bei Peter Sindlinger noch nicht. „Aber sie haben schon angetrieben.“ Deshalb hofft er, dass Frostphasen in einem weiter fortgeschrittenen Entwicklungsstadium der Knospen ausbleiben.

Schutzvorkehrungen gibt es für die hiesigen Obstbäume nicht, wie Manfred Nuber erklärt. Eine Frostschutzberegnung sei im Kreis Böblingen nicht möglich, weil die dafür notwendigen großen Wasserreservoirs fehlen. „Man kann nichts machen, nur bangen und hoffen, dass es in der nächsten Zeit möglichst kühl bleibt, aber nicht im zweistelligen Minusbereich friert.“

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Erstellt:
3. März 2020

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